27 Millionen Arbeitnehmer:innen stehen in Deutschland jährlich fünf Tage Extraurlaub für die eigene Weiterbildung zu – von Yoga, Sprachreisen bis hin zu Burnout-Prävention. Dieses Gesetz nennt sich “Bildungsurlaub” – in Anspruch nehmen es allerdings nur knapp zwei Prozent der Beschäftigten. Viele, weil sie ihr Recht gar nicht kennen. Viele aber auch aus Angst vor Ablehnung durch den Arbeitgeber. Zurecht? Aktuelle Umfrageergebnisse zeigen: Die Weiterbildungsfreundlichkeit der DAX-Konzerne geht weit auseinander.
Bildungsurlaub in DAX-Konzernen
So stehen DAX-Konzerne zu Bildungsurlaub
14 DAX-Konzerne haben an der Umfrage teilgenommen: Allianz, Continental, Covestro, Deutsche Börse, Deutsche Telekom, HeidelbergCement, Infineon, Merck, RWE, Sartorius, Siemens Energy, Symrise, Volkswagen und Vonovia.
Befragt wurden die Unternehmen vom Startup Bildungsurlauber.de, welches die erste bundesweite Buchungs- und Aufklärungsplattform für gesetzlichen Bildungsurlaub gegründet hat. Ziel war es herauszufinden, welche Rolle Bildungsurlaub in der jeweiligen Personalpolitik einnimmt.
Die 26 DAX-Konzerne, welche sich nicht an der Umfrage beteiligt haben, haben meist aktiv abgesagt. Ein möglicher Rückschluss daraus ist, dass die Förderung von Bildungsurlaub hier nicht von Interesse ist. “Und tatsächlich zeigt die Umfrage deutlich, dass eine Weiterbildungsschere zwischen den Unternehmen existiert – einer Nutzungsquote von bis zu 60 Prozent bei Volkswagen steht oftmals keine aktive Förderung von Bildungsurlaub gegenüber”, so Lara Körber, Mitgründerin von Bildungsurlauber.de
Die Umfrageergebnisse: so weiterbildungsfreundlich sind DAX-Konzerne in Deutschland
- 86 Prozent der Unternehmen geben an, ihre Mitarbeiter:innen aktiv über ihr Recht auf Bildungsurlaub aufzuklären – zumeist über das firmeneigene Intranet. 57 Prozent ermutigen darüber hinaus sogar aktiv dazu Bildungsurlaub wahrzunehmen – zum Beispiel in Feedbackgesprächen oder durch den Betriebsrat.
- 64 Prozent stehen Bildungsurlaubseminaren, welche in erster Linie der Gesundheitsförderung dienen und keinen direkten inhaltlichen Zusammenhang zum Job haben, positiv gegenüber. Für den Duft- und Aromenhersteller Symrise gehören Gesundheitsbildungsurlaube sogar “[…] als fester Bestandteil auch zu unserem betrieblichen Gesundheitsmanagement.” Und auch der Pharma- und Chemiekonzern Merck steht diesen positiv gegenüber: “Bildungsurlaube zur Gesundheitsförderung werden von uns genauso unterstützt wie Bildungsurlaube zur beruflichen Weiterbildung. Die psychische und physische Gesundheit unserer Mitarbeiter ist uns sehr wichtig. […]”.
- Beim Automobilhersteller Volkswagen haben 51 – 60 Prozent der Belegschaft mindestens einmal im Rahmen der Betriebszugehörigkeit Bildungsurlaub wahrgenommen: “Diese Weiterbildungen bereichern und fördern die Beschäftigten, steigern die Arbeitszufriedenheit und erhöhen die Qualifikation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.” In anderen DAX-Konzernen liegt die Nutzungsquote von Bildungsurlaub wesentlich niedriger (0-10 Prozent Deutsche Börse und Vonovia) – mehrheitlich liegen aber keine Daten über die Bildungsurlaubsaktivität der eigenen Mitarbeiter:innen vor.
- Für 43 Prozent ist Bildungsurlaub ein Tool zur langfristigen Mitarbeiterbindung. Der Automobilzulieferer Continental versteht Bildungsurlaub hier als Weiterbildungsmöglichkeit parallel zur firmeninternen Auswahl: “[…] Wir konzentrieren uns nicht nur auf ein Angebot, sondern bieten unseren Mitarbeitern viele Möglichkeiten und entsprechende Zeit an. Damit können sie die für sie passenden Optionen flexibel wählen.”
- 50 Prozent der befragten Unternehmen ermöglichen ihren Angestellten auch in Bundesländern ohne gesetzliche Regelungen für Bildungsurlaub (Sachsen und Bayern) diesen wahrzunehmen.
Angst vorm Arbeitgeber ist unbegründet – dennoch ist es noch ein weiter Weg
“Man erkennt, dass Unternehmen die gesundheitliche und persönliche Weiterbildung via Bildungsurlaub immer mehr auch als langfristige berufliche Investition in das eigene Unternehmen verstehen”, so Lara Körber.
Und das nicht ohne Grund: So waren Rückenschmerzen und psychische Erkrankungen wie Burnout 2020 für über 30 Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage aller DAK-Versicherten verantwortlich. Dabei dauerte ein psychischer Krankheitsfall durchschnittlich 39 Tage – so lange wie noch nie. “Sich um die eigene Gesundheit zu bemühen, ist demnach hochprofessionell und eine Win-win-Situation für Arbeitnehmer- und Arbeitgeber:innen”, so Körber.
Trotz des Trends zur Weiterbildungsfreundlichkeit vieler DAX-Konzerne, darf der Mehrwert und die Unterstützungswürdigkeit von Bildungsurlaub von vielen Konzernen noch weiter verinnerlicht werden. Körber: “Bildungsurlaub ist nicht das Stiefkind der Weiterbildungsmöglichkeiten – Bildungsurlaub ist ein gesetzliches Tool für eine gesunde Arbeitskultur und für lebenswertes Arbeiten.”
Und für ein produktives Arbeiten. Der DAX-Konzern Merck formuliert das so: “Wir sind davon überzeugt, dass die Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter der Schlüssel zum Erreichen unserer Geschäftsziele und zu unserem Erfolg als Unternehmen ist. Das schließt neben vielen anderen Angeboten auch die Möglichkeit des Bildungsurlaubs ein. Dabei ermöglicht die nicht nur räumliche Entfernung zum Arbeits- und Lebensalltag den Mitarbeitern, sich ganz auf ihre eigene Entwicklung zu konzentrieren. Das hat positive Effekte für den Mitarbeiter und auch für uns als Unternehmen, da so neue Blickwinkel eröffnet und positive Denkansätze geschaffen werden.”
Leider sehen das (noch) nicht alle Konzerne so. Dennoch: Insgesamt sollten Arbeitnehmer:innen sich verstärkt trauen Bildungsurlaub einzureichen – von den meisten Arbeitgeber:innen wird er als positiv bewertet. So oder so bleibt er auf jeden Fall ein Recht, das einem zusteht.